30.05. – 06.06. 14

Ferngespräch

Folge 22 / 52
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Folge 22 Ferngespräch

Der LKW-Fahrer Giuseppe bestand auf eine für uns neue Kommunikationsweise: auf seinem Smartphone tippte er italienische Sätze ein und ließ sie ins Englische übersetzen. „Here, you like to have some of these drinks or snacks?“ Von einem Fach über unseren Köpfen zauberte er eine riesige Tüte hervor, die neben Familienpackungen von Schokoriegeln auch den ganzen Haribo-Katalog zu beinhalten schien.

„Or you would like taste perhaps the sweet wine of Malaga?“ Auch eine Plastikflasche rubinroter Wein war im Fach versteckt. Eigentlich wollte er keine Anhalter mehr mitnehmen, meinte er. Denn vor einiger Zeit hat eine Mitfahrerin seine ganzen Wertsachen gestohlen, während er sich einige Minuten in einer Raststätte duschte. Genauso sollten wir uns in Acht nehmen: „Take care of yourselves. Hospitality is not everywhere.“

Als wir in Zaragoza per Anhalter nicht weiterkamen, stiegen wir in den Zug nach Madrid. Bald erschien wie aus dem Nichts eine etwas zappelige Gestalt in Hard-Rock-Cafe-Basecap und Bayern München-Trikot. Um seinen Nacken war eine Kamera geschlungen, und er haschte so intensiv nach menschlicher Erwiderung, dass man ihn nicht angucken konnte, ohne Augenkontakt aufzunehmen. Das war Derek, ein Versicherungsvertreter aus Malaysia. „Where are you from?“ fragte er in seinem, wie sich schnell herausstellte, sehr fließendem Englisch.

„Wenn ich reise, muss ich dauernd etwas machen,“ sagte er. „Ich kann nicht still sitzen und nichts tun. Ich bin Workaholic. Die anderen Asiaten, die wollen nur in jeder Stadt ins Hard-Rock-Cafe gehen und das T-Shirt kaufen. Nun gut, auch das ist besser als gar nichts tun. Ihr beiden seid toll, ja wirklich krass, so lange reisen mit nur einem Rucksack. Trampen?!? Wie geht das denn überhaupt!?! Schaut euch dieses Foto an von den Kollegen mit denen ich zusammen reise. Schaut wie viel Gepäck sie dabei haben! Dabei sind sie nicht einmal zehn Tage unterwegs!“ Derek saß gegenüber von uns und schaffte es auch, Miguel ins Gespräch zu ziehen. Bald waren wir dabei, Selfies zu knipsen und Facebook-Daten auszutauschen. Derek beteuerte zuerst, dass keiner von uns im Zug ins Internet konnte, denn er wollte die Fotos gleich hochladen. Darauf grinste Miguel und reichte Derek sein Smartphone. „You are so cool, man, you are awesome. Mr. Connected! Globalization! The world is flat!“

Granada mit ihrer berühmten Alhambra war unsere letzte Station in Europa. Von hier nahmen wir einen Bus durch das Sierra Nevada Gebirge nach Motril, „dem Strand von Granada,“ wie viele meinen, und fuhren dann mit einer fast menschenleeren Fähre über das Mittelmeer.